Landschaftsfotografie Schweiz: Sonnenaufgang an Weihnachten 2025 in Bäretswil, Zürcher Oberland

Naturfotografie: Entwicklung der Bildkomposition und der Persönlichkeit

Ich habe innere Bilder und sehe äussere. Da gibt es Vorstellungen, was für Fotos ich in der Natur schiessen könnte. Ein Objekt, ein Impuls und schon entsteht vor meinem inneren Auge eine Bildkomposition. Sie zieht und fordert und verändert sich und meine Idee und mich selbst. Ein kleiner Einblick für Hobby- und Sinnsuchende in eine Art natürliche Persönlichkeitsentwicklung mit visueller Erinnerung.

Andreas Räber, Hobby-Naturfotograf, Enneagramm-Coach, Trainer, Online-Marketing-Spezialist.
Andreas Räber

 

«Könntest du das Fleisch beim Bauern abholen gehen?» fragt mich meine Frau am Morgen von Heiligabend. Warum nicht? Ich habe Ferien und Zeit. Zudem schneit es wieder einmal. So, wie es sich an Weihnachten «gehört». Zeit also, den Winter zu geniessen. In Gedanken versunken marschiere ich los. Dieses Jahr hatte es in sich. Das muss verarbeitet werden. Irgendwann schaffe ich es, aus meiner inneren Welt aufzutauchen und nehme die verschneite Landschaft um mich herum wahr.

Da erwacht der fotografische Instinkt in mir. Häuser, Hochspannungsleitungen und Strassen beginnen sich zu Leading Lines zu formieren. Aus Bäumen, Feldern und Himmel werden Ebenen. 

Meine Kamera habe ich nicht dabei. Aber mein Handy, und ich schiesse ein paar Fotos, als eine Art Bilderskripte. Als Ideensammlung für eine «richtige» Fototour mit meinen beiden Kameras (Sony und Nikon).

Das Bild mit der Bank z. B. finde ich von der Komposition her gut. Im Vordergrund die Bank, ein Symbol zum Verweilen. Zum Ausruhen. Im Hintergrund der Baum. Symbol für Leben, Wachstum und Fruchtbarkeit. Beides scheint im Winterschlaf zu sein. Von Schnee bedeckt und doch da.

Handyfotos von meinem Spaziergang an Heiligabend 2024.
Handyfotos von meinem Spaziergang an Heiligabend 2024.

Signale aktivieren Gedankengänge und innere Antreiber

Solche Bilder und Erfahrungen lösen bei mir schnell neue Ideen aus. Vorstellungen, wie man etwas anders bzw. besser machen könnte.

Das «Besser-Machen-Können» hält mich schon am selben Tag im Bann. Es arbeitet in mir. Ein Gespräch mit meiner Tochter über Fotografie und Gestaltung reaktiviert und bestätigt meine Impulse.

Gleich am nächsten Morgen breche ich auf, in der Hoffnung, die Bank nun «definitiv» ablichten zu können. 

Träumen darf man ja. «Es» treibt mich an und will geklärt werden.

Während ich mit meinen zwei Kameras beladen durch die verschneite Landschaft stapfe, überlege ich, dass Schnee wie eine Art Pinsel der Natur ist. Die Landschaft wird damit umgemalt. Sie erhält einen neuen Ausdruck und erzählt die Geschichte etwas anders. Als Betrachtende wissen wir sofort, es ist Winter. Wir spüren die Kälte. Vielleicht erinnern wir uns an unsere Wintererfahrungen als Kinder. An Weihnachten. 

Sonne, Nebel, Regen, Wolken – so definiere ich die wichtigsten Pinsel der Natur.

Solche Gedankengänge geniesse ich. Während ich weiterhin unterwegs bin, bahnt sich eine gewisse Ahnung an. Ob meine Bank wohl noch voller Schnee ist? Schon das kleinste Detail hat einen Einfluss auf meine Idee bzw. auf die Bildkomposition

So ist Naturfotografie. Am anderen Tag ist vieles anders.
Natur ändert sich dauernd. Die Bank sieht anders aus, als am Vortag.

Eine Umgebung entwickelt sich zu einem Foto

Da bin ich nun und der Schnee ist fast weg. «Fast» bedeutet für mein inneres Bild zu viel. Meine Vorstellung ist nicht mehr umsetzbar. Natürlich ist das nicht das erste Mal, dass ich umdenken muss. 

Naturfotografie ist auch ein Stück Persönlichkeitsentwicklung, denke ich oft. Sie erfordert Flexibilität, Hinschauen, wirken Lassen, Ausharren und manchmal auch Loslassen. Wie im echten Leben.

Also stelle ich mein Equipment auf. Mache die ersten Bilder, von denen ich hoffe, sie dimmen meine Enttäuschung ein bisschen runter. «Sieht doch auch gut aus», rede ich mir ein. Doch in meinem Innern tut sich nichts. 

Keine Bestätigung aus der Bauchregion. Nun beginnt ein innerer Dialog zwischen Frust und Besänftigung.

Da höre ich eine Spaziergängerin, die beruhigend auf ihren Hund einredet. Ich rufe ihr zu: «Vor meinen Kameras haben manche Hunde Angst. Sie können sie nicht einordnen.» Sie kommt näher: «Er ist aus dem Heim. Aber es wird besser. Es ist schon sehr viel besser geworden.» Ich nicke ihr zu. Sie geht weiter. Wünscht mir wunderschöne Weihnachten und zieht ihren Hund hinter sich her. 

Dieser kurze Dialog irritiert mich etwas. Zwei Menschen, die sich äusserlich, aber nicht innerlich begegnet sind, so kommt es mir vor.

Und doch hat mir dieser Break gutgetan. Er hilft mir, meinen Blick zu weiten. Ich schaue meine Fotos nochmals an und nehme im Augenwinkel einen Stab wahr. Ein Zeichen am Strassenrand, für den Schneepflug gesetzt. Mit seiner roten Farbe würde der Stab doch gut in meine Bildkomposition passen. Als zusätzliche Dimension würde er dem Bild mehr Tiefe verleihen. Die Strasse bilde ich nicht ab. Der dunkle Asphalt ist mir zu dominant. Der Stab reicht aus, um dem Betrachter die Strasse anzudeuten. Um einen Denkprozess auszulösen. Dass er nun selbst auf der Strasse steht.

Der rote Stab: Ein Zeichen für den Schneepflug.
Der rote Stab: Ein Zeichen für den Schneepflug.

Schon besser. In meinem Kopf melden sich Signale: «Zieh endlich weiter. Hier hast du ein akzeptables Foto geschossen. Es gibt noch andere Objekte zum Fotografieren. Und du weisst ja, das Licht verändert sich schnell.» 

Rasch versorge ich meine Kamera im Rucksack und entdecke beim Aufblicken links einen Baum. Ein neuer Impuls. Die Idee mit der Bank hat mich zwar angetrieben, aber auch meine Sicht eingeschränkt. 

Kamera wieder heraus. Damit ich den linken Baum mitberücksichtigen kann, schaffe ich mehr Distanz, indem ich auf die andere Strassenseite gehe. 

Eine weitere Fotosession beginnt. Immer wieder verändere ich Bildausschnitt, Belichtung und Blende. Es geht darum, meiner Sicht laufend neue Impulse zu geben. Vielfalt schafft neue Ideen.

Ein neues Element für die Bildkomposition - der Baum links.
Ein neues Element für die Bildkomposition - der Baum links.

Ich bewege mich mehr

«Es wird immer besser», stelle ich fest. Ich versorge die Kamera erneut, blicke auf und werde stutzig. Da ist etwas. Die bisherigen Bilder… etwas fehlt ihnen. Ich spüre es und blicke mich erneut um.

Wenn ich mich ein paar Meter nach links bewege, kann ich die beiden Bäume im Foto miteinander verbinden. Eine Beziehung schaffen. Aus zwei Einzelgängern ein Team kreieren. Die Bank ist zwar weg, aber Loslassen gehört auch zum Fotografieren. 

Gesagt, getan. Die Kamera ist erneut auf dem Stativ montiert und mein Ablauf mit Bildausschnitt, Belichtung und Blende durchgeführt. 

«Jetzt aber!» Freude kommt auf. Ich spüre eine innere Befriedigung und meine Finger fast nicht mehr.

Ohne Handschuhe kann ich die Kamera viel besser bedienen. Auch das Stativ lässt sich besser händeln. Leider geht das bei minus 1 Grad nicht allzu lange. Schnell die Kamera in den Rucksack, … doch halt, ein Impuls: «Schau nochmals!»

Naturfotografie: Sonnenaufgang in Bäretswil an Weihnachten 2025
Sonnenaufgang in Bäretswil

Die Natur hat eine weitere Farbe eingefügt: Sonnenfarben! Sie reflektieren. Schaffen mehr Tiefe und neue Stimmungen.

Meine Finger hämmern. Die Blase ist voll. Jede Sekunde verändert sich das Bild. Ich nehme mich zusammen. Gehe auf die Knie, in eine tiefere Perspektive.

Wieder der gleiche Ablauf. Schnell noch möglichst viel festhalten. Doch dieses Mal sagt meine innere Stimme etwas anderes. 

«Lass es gut sein. Die Natur läuft dir nicht davon. Du kannst nicht alle Momente fotografieren, auch wenn sie noch so schön sind. Es gibt immer wieder neue Möglichkeiten.»

Der bekannte Fotograf David DuChemin schreibt in seinem Buch «Licht, Raum und Zeit», dass nichts so schwierig ist, wie die Kamera wegzulegen. Wie recht er doch hat. 

So mache ich mich auf den Heimweg. Aus meinem geplanten Vormittagstrip ist wegen der intensiven Kälte nur ein Stundentrip geworden. Ich weiss, es ist gut so. 

Die Natur orientiert sich nicht an uns Menschen.

Die Bildbearbeitung

Zu Hause am PC starte ich meine Bildbearbeitungssoftware Lightroom auf. Gespannt schaue ich zu. Kann die Entwicklung in den Fotos deutlich sehen. Schlussendlich sind es drei Bilder, die mir gefallen. Spannenderweise ist es nicht die letzte Bildserie, die ich auswähle. Das Knien hat zwar die Perspektive spannend gemacht. Doch die von der Sonne gestalteten Elemente im Schnee sind aus dieser Position nicht sichtbar. 

Beim Betrachten der Bilder fühle ich Zufriedenheit. Die Exkursion hat sich gelohnt. Der Weihnachtsmorgen in Bäretswil ist festgehalten.

Zumindest ein Teil davon. Nämlich meine Sicht. 

Mein Fazit

  • Ich bin mit einer Idee gestartet und mit einer anderen Lösung zurückgekommen. Eine, die mir sogar besser gefällt. 
  • Aushalten und aufhören Können sind enorm wichtig. Doch wann ist was dran?
  • Lass es zwischendurch auch mal gut sein. Weniger ist auch viel, vielleicht sogar mehr. 
  • Unsere Natur malt wunderschöne Bilder. 
  • Sollte es wieder schneien, kann ich nochmals losziehen. Dazu brauche ich diese innere Unruhe, dieses Ziehen. Und das ist im Moment zur Ruhe gekommen.

© fokus-naturfotografie.ch, 25.12.2024, Andreas Räber

Weitere Blogs rund um Naturfotografie

Landschaftsfotografie Schweiz: Sonnenaufgang an Weihnachten 2025 in Bäretswil, Zürcher Oberland

Naturfotografie: Entwicklung der Bildkomposition und der Persönlichkeit

Ich habe innere Bilder und sehe äussere. Da gibt es Vorstellungen, was für Fotos ich in der Natur schiessen könnte. Ein Objekt, ein Impuls und schon entsteht vor meinem inneren Auge eine Bildkomposition. Sie zieht und fordert und verändert sich und meine Idee und mich selbst. Ein kleiner Einblick für Hobby- und Sinnsuchende in eine

Weiterlesen »
Wiesen sind Vorbilder für unseren eigenen Naturgarten

Naturgarten: zahlreiche Motive für die Naturfotografie

Immer mehr Menschen werden sich bewusst, dass eine gesunde Natur lebensnotwendig ist. Mit einem Naturgarten und mit Naturfotografie können wir positive Akzente setzen. «Gib mir einen Quadratmeter Wiese und ich mache dir tausend schöne Fotos.» Andreas Räber Ob Wiese oder Naturgarten, beide Lebensräume beherbergen zahlreiche Pflanzen und Kleintiere. Diese natürliche Vielfalt wird dann so richtig

Weiterlesen »
NATURA HELVETICA: Überblick Themen aus der FAUNA und FLORA

Naturfotografie: Vorbereitung für schöne Naturbilder mit Naturzeitschriften

Wenn wir schöne Naturbilder sehen, sind wir uns oft nicht bewusst, welch enormer Aufwand hinter der Naturfotografie steckt. In meinem Blog werde ich darum immer wieder Quellen, die mir Hintergrundinfos für mein Hobby liefern, vorstellen. Zum Beispiel Naturzeitschriften, die ich gerne lese, weil sie mir wichtige Informationen zur Landschafts- und Tierfotografie vermitteln. In diesem Blog

Weiterlesen »
Nach oben scrollen